VDZ Digital Publishers’ Tour USA: Reisen, lernen, informieren

Es muss nicht immer Silicon Valley sein: Auch eine Reise nach New York kann die Augen öffnen

Silicon Valley mag für viele deutsche Business-Trendscouts derzeit das Reiseziel Nummer eins sein. Doch man muss nicht nach Cupertino oder Mountain View pilgern, um mitzubekommen, welche Gamechanger möglicherweise in ihren digitalen Startlöchern stehen. Eine Reise ins hyperaktive New York und pragmatische Chicago tut’s auch. Bester Beweis: Die Publishers’ Tour des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger.

Eine Woche lang tourte eine Gruppe von Chefredakteuren, Geschäftsführern, Redenschreibern und Business Angels durch die beiden Großstädte, um festzustellen: Auch im Norden der USA ist die digitale Transformation das Thema Nummer eins – egal, ob es sich um alte Traditionsunternehmen wie Associated Press, IBM oder die „New York Times“, Shootingstars wie NYT-Konkurrent „The Daily Beast“, Contently oder Hypefirmen wie VR Framestore handelt.

In Deutschland heißt es: „Die USA sind uns ein paar Jahre voraus.“ Das gilt 20 Jahre nach Entwicklung des „World Wide Web“ immer noch. Aber der Abstand hat sich verringert. Und: Auch in fortgeschrittensten Zukunftslaboratorien wird der Tee immer noch mit Wasser gekocht. Die Fragen, die US-Amerikaner beantworten müssen, sind die gleichen, die sich Medienhäuser, Agenturen und Markenartikler hierzulande stellen.

Die digitale Transformation ist vor allen Dingen deshalb so schwer zu bewältigen, weil ein Ende nicht absehbar ist. Kaum wurde eine Herausforderung – erkenntnistheoretischer, organisatorischer, struktureller Natur – gelöst, steht die nächste vor der Tür. Der deutsche Hang zum Zweifeln wirkt als zusätzlicher Bremsklotz. Es mag banal klingen, ist aber trotzdem wahr: Hierzulande fehlt bisweilen die „Just-do-it“-Einstelllung, die amerikanische Unternehmen auszeichnet – egal, ob es sich um Start-ups oder Traditionsunternehmen handelt.

Wer die digitale Transformation erfolgreich bewältigen will, braucht – so eine Erkenntnis der Teilnehmer der VDZ-Tour – drei Dinge. Erstens das Selbstbewusstsein, das Richtige zu tun. Zweitens das Technologie-Know-how zu wissen, welche Technologien für die Marketingoder Publishing-Zwecke nötig sind. Das verändert auch das Selbstverständnis der Marketingmanager: Studien zufolge ist der CMO in naher Zukunft zugleich der wichtigste IT-Manager eines Unternehmens. Neben Selbstbewusstsein und Technologie sind drittens Mitarbeiter entscheidend. Man kann Mitarbeiter umschulen. Doch genauso wichtig ist es, Digital Natives einzubinden.

Vertrauen in die eigene Stärke, Technologie, Mitarbeiter: Fünf Beispiele eines US-Business-Trips bei 17 Unternehmen.

Das Chicago Field Museum of Natural History hat ein Problem: Wie können Image und Kultur des 1893 gegründeten Museums verjüngt werden, fragt sich CEO Richard Lariviere. Andere Manager hätten für die Außendarstellung eine Agentur, für die Binnenkultur eine Unternehmensberatung engagiert. Lariviere hat eine andere Idee. Er stellt eine junge Frau ein. Emily Graslie ist Mitte 20, aber auf Youtube schon längst ein Star, zumindest bei wissenschaftlich Interessierten. 2012 präsentiert sie in einem Clip Laborproben und Skelette – und begeistert mit ihrem Enthusiasmus die Netzgemeinde. Ein Jahr später ist sie als Chief Curiosity Officer und mit ihrem Youtube-Kanal „The Brainscoop“ Aushängeschild des Museums. Sie hat inhaltlich völlige Freiheit, weil alle Beteiligten wissen: Das Museum braucht Graslie, aber Graslie braucht nicht unbedingt das Museum. Das Beispiel zeigt: Traditionelle Unternehmen sollten nicht scheuen, bei Personalentscheidungen über ihren Schatten zu springen. Man braucht junge „Wilde“ und Digital Natives, um die digitale Transformation erfolgreich zu bewerkstelligen.

Das Gerät ist schwarz, hat filigrane Maße (23,5 x 8,35 x 8,35 cm) und sieht aus wie einer der handelsüblichen Bluetooth-Lautsprecher, mit denen man kabellos Musik hören kann. Doch Amazons Echo ist ein multimediales Supertool, ein Gamechanger. Die harmlos aussehende schwarze Box ist ein brauchbarer persönlicher Assistent. Alexa heisst die Computerstimme, die auf Wunsch Musik aus der Spotify- oder Amazon-Datenbank lädt, Nachrichten spricht oder die Wetterprognose zum Besten gibt. Amazon brachte das Produkt vor anderthalb Jahren in den USA auf den Markt. Insbesondere älteren Menschen, die sich vor dem Umgang mit Smartphone oder PC scheuen, erleichtert die sprechende Box den Zugang zum Internet. Aber auch für jeden Hobbykoch ist eine Sprachsteuerung, die ein Rezept vorliest oder die neueste CD der Red Hot Chili Peppers abspielt, ein Riesengewinn. Wann Echo nach Deutschland kommt, steht noch nicht fest. „Hi Alexa“: Auf https://echosim.io kann man Alexa testen.

Anfang des Jahres prognostizierte HORIZONT für 2016: Marketing betritt die virtuelle Welt. Längst produzieren Dienstleister Content en masse. Den Mitarbeitern von Framestore VR Studio merkt man ihre Begeisterung für das Hypethema des Jahres an. „We live and we love VR“, sagt Eileen Cooney, beim Unternehmen für die Kunden aus der werbungtreibenden Industrie zuständig. Unter framestorevr.com kann man sich von der Klasse der Projekte überzeugen.

Sage und schreibe 100 Mitarbeiter kümmern sich im T Brand Studio der „New York Times“ um Native Advertising und Content Marketing (Motto: „Stories that influence the Influential“). Der Bereich wächst seit Jahren. Die Etats, mit denen Journalisten und Gestalter Contentgeschichten für Kunden wie Netflix, GE, Emirates, Ford und viele andere Werbungtreibende aufbereiten, gehen teilweise in hohe siebenstellige Beträge. Früher galt: Content is king. Heute gilt auch bei der „NYT“: Content Marketing is king.

Wenn John Avlon den Raum betritt, spürt man: Hier kommt einer rein, dessen Selbstbewusstsein bis in die Spitzen seiner Cowboy-Boots reicht, die er zum teuren Anzug trägt. Mit 25 Jahren war Avlon Redenschreiber des New Yorker Ex-Bürgermeisters Rudolph Giuliani. Er ist vielbeachteter Buchautor und macht als Chefredakteur von Daily Beast seit einigen Jahren den US-Tageszeitungen das Leben im Netz schwer. Sein Erfolgsgeheimnis: Enormes Selbstbewusstsein und die Erkenntnis, dass man mit einem kleinen redaktionellen Team nicht alle Themen abdecken kann. Nur ein Drittel der Inhalte erstellt die Redaktion, zwei Drittel sind Links zu anderen Quellen oder Agenturmaterial. Das Konzept geht auf: Eine Million Leser hat die 2008 gegründete Online-Zeitung, 70 Prozent von ihnen sind Digital Natives.

Autor: Volker Schütz, Chefredakteur HORIZONT

(Beitrag erschienen in der HORIZONT 27/2016, 7. Juli 2016 oder online auf horizont.net)


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