Amazon Newsstand

VERTRIEBSPLATTFORM FÜR DIGITALE PRESSEANGEBOTE
Seit Juni räumt Amazon in Deutschland dem Angebot digitaler Presseprodukte sehr viel mehr und auch einen prominenteren Platz ein als in den letzten Jahren. Unter dem Namen ‘Newsstand’ präsentiert der Handelsriese seinen deutschen Kunden Presseangebote in der ersten Navigationsebene des Kindle-Shops. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe von BEST SELLING sind dort fast 800 digitale Zeitschriften zu finden. Vorher wurden dort gerade einmal für 2 deutschsprachige Magazine und auch nur 11 Tagestitel Digitalausgaben für den Kindle aktiv angeboten.

Amazon macht es den Verlagen leicht, im Newsstand präsent zu sein. Sie müssen derzeit beim Händler lediglich schlichte PDF-Dateien anliefern. Amazon macht daraus für alle seine Leseplattformen angepasste Formate. Auf Smartphone- und Tablet-Apps (via Kindle-App) und auf dem Kindle Fire werden die Titel im IVW-konformen E-Paper-Format dargestellt. Und für den Nutzer ist auch eine blätterbare Einzelartikelansicht integriert. Auf dem Kindle-E-Reader werden die Titel in einem für das Lesegerät angepassten, nicht IVW-konformen Format dargestellt.

Aber die E-Magazine werden nicht nur im Katalog angeboten. Amazon hat digitale Presse nun in seine vielfältigen Verkaufsförderungsprogramme aufgenommen. Abonnenten des Prime-Angebotes und der Kindle-Flatrate Unlimited können auf eine monatliche wechselnde Auswahl kostenloser E-Magazine zugreifen. Auf diesem Weg generiert Amazon Leads, denen in der Folge kostenlose 30-Tage-Probeabos angeboten werden, die sich anschließend per Negativoption in ein reguläres Abo verwandeln. Von den Umsätzen mit diesen am Ende der Marketingkette generierten Bezahlabos (wie auch von Einzelverkäufen der Digitalausgaben) behält Amazon 30 % für sich, der Rest geht an den jeweiligen Verlag.

Die Verlage hoffen auch auf neue Kunden durch die Einbindung der digitalen Presseprodukte in die üblichen Absatzfördermaßnahmen (‘Kunden, die XY gekauft haben, haben auch … gekauft’ etc.) sowie in das Retargetingprogramm. Wer von Amazon als wahrscheinlicher Pressekäufer eingeschätzt wird, der trifft dabei auf allen möglichen Websites auf entsprechende Amazon-Werbung. Mit diesen sehr effektiven, wenn auch umstrittenen Werbemaßnahmen (Stichwort ‘Werbung, die den Nutzer verfolgt’) dürfte Amazon den Verlagsangeboten neue Absatzpotenziale erschließen.

Beispielhaft für die Erwartungen vieler Verlage steht Christina Dohmann, Chief Digital Officer bei Gruner+Jahrs Vertriebsfirma DPV: “Amazon hat ein erwiesenermaßen sehr lesefreudiges Publikum und natürlich eine sehr große Reichweite. Als größte eCommerce-Plattform beherrscht Amazon wie kein Anderer datengetriebenes Direktmarketing. Aus dieser Kombination kann etwas richtig Großes werden. Wir sehen darin viel Potenzial. Aber ob es wirklich funktioniert, das müssen wir abwarten.”

WANN KOMMT DIE ERMÄSSIGTE MEHRWERTSTEUER FÜR DIGITALE PRESSE?
Seit Jahren beschwören europäische Politiker ihren Willen, die absonderliche Regelung, nach der eine digitale Zeitung oder Zeitschrift nicht zum gleichen, ermäßigten Umsatzsteuersatz wie ihr gedrucktes Pendant versteuert wird, zu überarbeiten. Endlich hat das EU-Parlament jüngst sogar nahezu einstimmig (590 Ja-Stimmen, 10 Enthaltungen und 8 Neinstimmen) einem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, dass die einzelnen Staaten zukünftig das Recht haben sollen, digitale Presse und Bücher mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu besteuern. Nun fehlt noch die Zustimmung des EU-Ministerrates und anschließend eine entsprechende nationale Regelung.

Aber erschien das bis vor einigen Wochen noch als eine Formalie, so hat sich nun eine ganz neue Hürde ergeben. Tschechien blockiert. Nicht etwa, weil die tschechische Regierung keine ermäßigte Mehrwertsteuer auf digitale Presse oder Bücher zulassen will. Sondern weil die Tschechen in einer ganz anderen Steuerfrage, nämlich beim Thema ‘Steuerschuldumkehr’ (‘reverse charge’), ihren Kopf durchsetzen wollen. Hier wünscht sich Tschechien ein auf 10 Jahre angelegtes Pilotprojekt statt nur einer Ausnahmegenehmigung für Tests (ein Anliegen, das auch von Österreich geteilt wird, das diesen Punkt aber nicht mit der Frage der Besteuerung digitaler Medien verbindet). Um ihre Position zu stärken verknüpfen die Tschechen die beiden voneinander völlig unabhängigen Themen.

Wie diese Hürde auf dem Weg zu einer Neuregelung der Besteuerung digitaler Presse aus dem Weg geschafft werden kann, ist derzeit nicht absehbar.

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AUTOR: Markus Schöberl