Bahnhof

Bahnhofsbuchhandel: Interview mit Peter Obeldobel

BAHNHÖFE: ‘HOTSPOTS DER KOMMUNIKATION’

200 Millionen Kunden, zweieinhalbmal so viele Menschen wie Deutschland Einwohner hat, haben die deutschen Bahnhofsbuchhandlungen pro Jahr. Die Hälfte davon, zwei Millionen Kunden pro Woche, kaufen auch etwas. Und ein Drittel dieser Kunden besuchen den Bahnhof nur deswegen, weil sie das dortige Buch- und Presseangebot nutzen wollen. Diese und viele weitere Zahlen veröffentlicht der Verband der deutschen Bahnhofsbuchhändler in seiner neuen Imagebroschüre ‘Hotspots der Kommunikation’, die in digitaler Form über die Website des Verbandes heruntergeladen werden kann.

Interview mit Peter Obeldobel, Vorsitzender Vorstand Verband Deutscher Bahnhofsbuchhändler e.v.

In Ihrer Broschüre zeigen Sie Daten zu den Kunden der Bahnhofsbuchhandlungen. Wie wurden diese Daten erhoben? Wer hat die Befragung durchgeführt?

Ein Marktforschungsunternehmen hat im Auftrag des Bahn-hofsbuchhandels deutschlandweit an Fern- und Regional-bahnhöfen, S- und U-Bahnhöfen sowie Flughäfen insgesamt 3.087 persönliche Interviews mit einem standardisierten Fra-gebogen durchgeführt. Ziel war es, die Einstellungen, Zufrie-denheit und Motivation von Kunden in Shops von Valora, Schmitt & Hahn Bahnhofsbuchhandlungen und Dr. Eckert Unternehmensgruppe (ECKERT/Ludwig) zu ermitteln.


Was ist aus Ihrer Sicht das Highlight der Untersuchung, was hat Sie überrascht?

Das Highlight im Rahmen der Umfrageergebnisse: 85,4 Prozent der Kunden kommen nur zu uns und besuchen kein anderes Geschäft. Das ist für uns ein wirklich tolles Ergebnis. Positiv überrascht hat uns außerdem, dass rund ein Drittel der Shop-Besucher nicht auf Reisen waren, sondern die Filialen als Einkaufsmöglichkeit im Alltag nutzen. Dies zeugt von einer großen Strahlkraft der Angebote und der entsprechenden Präsentation im Geschäft. Und natürlich freut uns die hohe Gesamtzufriedenheit der Kunden (96,1 Prozent) und dass 80,5 Prozent von ihnen unsere Fachkompetenz sehr zu schätzen wissen.


13,7 Prozent der Kunden kommen täglich, 58,4 Prozent wöchentlich. Das ist beeindruckend. Kennen Sie Vergleichswerte aus anderen Einzelhandelszweigen?

Die hohe Besuchsfrequenz ist eine tolle Resonanz auf unsere vielfältigen Filialen. Gleichzeitig liegt darin der wichtige Auftrag, die Kunden täglich aufs Neue mit attraktiven Angeboten und bestem Service zu begeistern – eine Verantwortung, der wir uns mit Freude stellen. Und natürlich nehmen wir Trends aus anderen Bereichen wahr, aber unser Fokus liegt eindeutig auf dem Bahnhofsbuchhandel.


Haben Sie Erkenntnisse, welchen Anteil die einzelnen Sortimente an dieser großen Kundenfrequenz haben?

Der Bahnhofsbuchhandel ist bekannt für seine einzigartige und riesige Auswahl an Pressetiteln – dieses Sortiment macht sowohl im Angebot als auch im Verkauf den größten Anteil aus, gefolgt von Büchern und Convenience-Produkten.


Und wie entwickeln sich diese drei Sortimente aus Sicht der Bahnhofsbuchhändler, welche Trends sehen Sie, welche Erwartungen haben Sie?

Zu Beginn des Jahres hat sich gezeigt, dass im Bereich Presse mit Frauenzeitschriften und Special-Interest-Magazinen, die früher Stabilitätsgaranten waren, weniger Umsatz gemacht wurde. Hingegen entwickelt sich der Absatz im Segment der politischen Presse durch die weltweiten Politik-Ereignisse sehr positiv. Der Bedarf an gut aufbereiteten Informationen ist offensichtlich ungebrochen. Und es ist auch davon auszugehen, dass sich die Special-Interest-Magazine künftig wieder besser verkaufen werden. Im Bücher-Segment sind wir sehr optimistisch, dank vermehrter Neuerscheinungen wieder an die Vorjahresumsätze anknüpfen zu können. Gleichermaßen können wir im Convenience-Segment auf gute Zahlen blicken. Dies gilt inzwischen auch wieder für den Bereich Tabak – trotz der abgebildeten Schockbilder auf den Verpackungen.


Vielfalt ist das zentrale Merkmal einer Bahnhofsbuchhandlung. Wie gelingt es den Verkaufsstellen des Bahnhofsbuchhandels bis zu 8.000 Titel zu präsentieren, ohne dass die Kunden davon ‘erschlagen’ werden? Wie schaffen Sie Orientierung?

Wir analysieren standortspezifisch die Zielgruppen und richten das Sortiment entsprechend aus. So gehen wir ganz gezielt auf die Wünsche der Kunden ein. Die Anzahl der Titel ist dabei auf die Verkaufsfläche der jeweiligen Bahnhofsbuchhandlung abgestimmt. Über alle Standorte hinweg verfügen wir in Summe über 13.000 Titel. Zuletzt haben die Bahnhofsbuchhandlungen mehr als fünf Millionen Euro in den Umbau der Filialen investiert, um für die Kunden ein Einkaufserlebnis in höchster Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Diese ist für rund 80 Prozent der Befragten von großer Bedeutung. Dazu zählen auch Segmentbeschriftungen und die prominente Platzierung von Top-Titeln für eine optimale Orientierung. Durch verlagsübergreifende Aktionen machen wir außerdem unsere Kunden auf Neuerscheinungen aufmerksam.


Onlinehandel, Discountmärkte, digitale Presse und digitale Unterhaltungsangebote sind Herausforderungen nicht nur für den stationären Handel. Wo sehen Sie für das Geschäft der BB-Unternehmen die größte potenzielle Herausforderung? Wie begegnen Sie diesen Themen?

Unser entscheidender Vorteil ist, dass wir dort sind, wo die Menschen sind – also an hochfrequentierten Standorten. Dadurch haben wir ganz andere Voraussetzungen als unsere Wettbewerber. Unser Schwerpunkt liegt auf Print. Der Onlinebereich hat keinen so großen Einfluss auf unsere Aktivitäten, jedoch betrachten wir ihn als wichtigen zusätz-lichen Kanal für unseren Vertrieb. Mit den Verlagen stehen wir in einem engen Dialog. Sie möchten zunehmend mit digitalen Produkten ihre Reichweite ausbauen und neue Erlösquellen erschließen. Dabei kann der Bahnhofsbuchhandel sie unterstützen – zum Beispiel durch das Angebot einer Prepaidkarte. Dies ermöglicht es den Kunden, digitale Produkte und Dienstleistungen der Verlage zu bezahlen, ohne sensible Daten über das Internet übermitteln zu müssen – ein Thema, das für viele Menschen zunehmend wichtiger wird. Den Printangeboten beispielsweise in Discountern treten wir mit unseren gut sortierten Filialen und natürlich unserem fachkompetenten Personal entgegen.


Gibt es weitere wichtige Herausforderungen für Ihr Geschäft?

Für uns sind Investitionen in Neuheiten seitens der Verlage und eine entsprechende kontinuierliche werbliche Unterstützung von großer Bedeutung. Darüber hinaus ist es wichtig, den Markt genau zu beobachten, um ihm Titel zu entziehen, die nicht gut perfor-men. Mit Blick auf die Zielgruppen liegt uns außerdem daran, mit crossmedialen Marke-tingmaßnahmen vor allem auch jüngere Menschen für das Thema Print zu begeistern.


Sehen Sie wichtige Trends im Einzelhandel oder in der Gesellschaft, die zugunsten des Bahnhofsbuchhandels wirken?

Wir leben in einer mobilen Gesellschaft. Die Menschen sind auf Reisen oder pendeln zur Arbeit. Die Bahnhofsbuchhandlung ist für sie die erste Adresse, um sich unterwegs mit guter Lektüre zu versorgen. Mit einem zusätzlichen Angebot an Convenience-Produkten gehen wir zudem immer stärker gleich auf mehrere Wünsche der Kunden ein. Bahnhofs-buchhandlungen können eine kleine Oase im stressigen Alltag sein. Gleich dem Motto: Diesen Moment zum Bummeln und Entdecken neuer Lese-Angebote gönn ich mir.

 

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AUTOR: Markus Schöberl