„Man sollte ein Notfall-Szenario durchgeplant haben“

Wie können Verlage und Vertriebsunternehmen mit der Vielzahl aktueller Herausforderungen umgehen? Für Dr. Andreas Geiger, Geschäftsführer der Motor Presse Stuttgart, ist vorausschauende Planung ein wichtiges Instrument. Im Interview erklärt der Verlagsmanager, wie die Motor Presse Stuttgart mit Papierknappheit und Gas-Embargo umgeht, welche Vertriebswege für die Special-Interest-Titel des Verlags künftig wichtig werden und wie er die digitale Zahlungsbereitschaft einschätzt.

Interviewfragen | Beantwortung Dr. Geiger, MPS


  1. Papierknappheit sowie steigende Energiepreise und Mindestlöhne gehören zu den großen Herausforderungen, die die Verlagsbranche derzeit zu bewältigen hat. Wie gehen Sie im Verlagsgeschäft der Motor Presse Stuttgart damit um?

    Die Phase mit reduzierter Verfügbarkeit von Druckpapier haben wir durch vorausschauende zusätzliche Eindeckung und Flexibilität im Einsatz gut überstanden. Nach Beendigung des Streiks in Finnland hat sich die Verfügbarkeit verbessert, schmerzhaft bleibt dabei natürlich die Preisentwicklung an sich.

    Wesentlich schwieriger gestaltet sich vermutlich die Herausforderung bei einem möglichen Gas-Embargo. Gas ist im Druck-Produktionsprozess bei den meisten Druckereien unverzichtbar und ein Embargo erscheint vor dem Hintergrund der bereits gedrosselten Liefermengen aus Russland sehr wahrscheinlich. Dafür sollte man ein Notfall-Szenario durchgeplant haben.

    Insgesamt kann ich aber sagen, ist die Motor Presse für die wirtschaftlichen Herausforderungen gut gerüstet. Wir schätzen uns glücklich, dass unsere Gesellschafter hier ein klares Bekenntnis für unser Traditionsunternehmen abgeben.


  2. Einzelverkauf, Abonnement, Digital-Plattformen – welche Vertriebswege werden für die Titel der Motor Presse Stuttgart künftig entscheidend sein?

    Alles im richtigen Mix, und der kann sich auch von Titel zu Titel unterscheiden. Während z.B. im Sport- und Lifestylebereich Viele digital lesen oder sich individuelle Trainingspläne downloaden, nutzt der Leser von Motor Klassik sein Heft gern regelmäßig physisch im Lean-Back-Modus. Ein Porsche-Fan kauft seine markenbezogene Spezialausgabe und schmückt damit den Coffeetable, während der Campingfan die Stellplatz-Szene gern auch mobil dabei hat. Und für alles gibt es auch Gegenbeispiele.

    Derzeit steht der Einzelverkauf ja besonders unter Druck, aber auch hier werden wir nicht in der Marktbearbeitung nachlassen. Die Sparte ist für uns und die Branche insgesamt unverzichtbar für Gelegenheits- und Spontankäufer sowie Erstkontakte. Allerdings ist uns bewusst, dass die Stabilität des Verteilsystems durchaus gefährdet ist.


  3. Für Special-Interest-Zeitschriften war der Bahnhofsbuchhandel immer ein wichtiger Absatzkanal. Während der Corona-Pandemie musste dieser Vertriebsweg jedoch stark unter den gesunkenen Frequenzen leiden. Erwarten Sie, dass der Bahnhofsbuchhandel als Vertriebsweg wieder an Bedeutung gewinnt und zu alter Stärke zurückfindet?

    Ich habe meine Zweifel, ob sich im Travel Retail die absoluten Absatzzahlen der Vor-Pandemiezeit wieder erreichen lassen. Es ist ja nicht nur das Leseverhalten, sondern auch das Einkaufsverhalten der Menschen, das sich geändert hat. Daher bleibt der Einzelverkauf insgesamt unter Druck. Andererseits verzeichnen wir im Travel Retail derzeit noch eine deutlich bessere Entwicklung als im grosso-belieferten Einzelhandel. Beide Vertriebswege werden aber sicherlich auch durch das massiv angestiegene Arbeiten zu Hause tangiert, was strukturell sicher eine deutliche Veränderung der Kundenströme nach sich gezogen hat.

    Ich gehe aber insgesamt davon aus, der Bahnhofsbuchhandel seine relative Stärke wieder zurückgewinnen kann, wenn nicht weitere Lockdowns in der Zukunft erforderlich sind.


  4. Die Motor Presse Stuttgart hat vor einigen Monaten Ergebnisse einer E-Paper-Studie vorgestellt. Ein Ergebnis war, dass 56 Prozent der Befragten glauben, dass das E-Paper irgendwann die gedruckte Zeitschrift komplett ablösen könnte. Schließen Sie sich dieser These an?

    Das Mediennutzungsverhalten ändert sich ja schon seit vielen Jahren. Das wird mit sich immer weiter veränderten Darreichungsformen von Information und Unterhaltung auch so bleiben. Das ePaper ist da sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wie eingangs gesagt, sind die Antworten für die verschiedenen Nutzer durchaus differenziert und eine Prognose des Nutzerberhaltens seriös kaum möglich. Andererseits wird es immer Fans des haptischen und optischen Erlebens einer gedruckten Zeitschrift geben.


  5. Die Studie ergab auch, dass 80 Prozent der Befragten nur etwa drei Euro für ein E-Paper ausgeben würden. Schwer vorstellbar, dass dieser Wert für die Finanzierung der Digitalangebote genügen würde. Wie also sieht ihre Strategie für das Digitalgeschäft aus?

    Die tatsächliche Zahlungsbereitschaft ist ja oftmals größer als die theoretische, wenn das Produkt stimmig ist und in unserem Fall neben der reinen Unterhaltung und Information der Zielgruppe auch Nutzwert bietet. Wir machen deshalb unseren potentiellen Lesern / Usern vielfältige Angebote im Digital- und Printbereich und entwickeln dabei auch kostenpflichtige Optionen ständig weiter. Allerdings betrachten wir Print unverändert als Baum, der noch lange nicht morsch ist.

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