„Wir möchten unseren Nutzern einen alternativen, ´datenarmen´ Zugang bieten“

Besucher von Zeit Online, der zugehörigen Website von der Zeit aus Hamburg, können bei Nutzung der Seite zwischen einem Tracking-freien Pur-Abo sowie dem gewohnten Tracking mit personalisierter Werbung wählen. Enrique Tarragona, Geschäftsführer von Zeit Online und von der Stellenmarkt-Plattform academics GmbH in Hamburg, stuft den geringen Anteil an Nutzern des Pur-Abos dabei als „zu erwarten“ ein und erklärt im Interview mit DNV, in welchen Bereichen er Personalisierung für sinnvoll hält.


  1. Wer Zeit Online erstmals besucht, hat die Wahl, der Datenverarbeitung und Personalisierung von Werbung zuzustimmen, oder ein Pur-Abo für 1,20 Euro pro Woche abzuschließen. Wie viel Prozent der Nutzer entscheiden sich für ein Pur-Abo? Und welchen Nutzen hat dieses Abo aus strategischer Sicht?

Tarragona: Wie es zu erwarten war, schließt nur ein Bruchteil unserer Nutzerinnen und Nutzer ein solches Abo ab, während der Großteil dem gewohnten Tracking und der personalisierten Werbung zustimmt. Wir haben dieses Angebot auch weniger aus einer konkreten Erlöserwartung heraus entwickelt, sondern wir möchten damit unseren Nutzerinnen und Nutzern den auch von der DSGVO geforderten alternativen „datenarmen“ Zugang bieten, gleichzeitig aber auch eine alternative Refinanzierung unseres bislang kostenlosen, werbefinanzierten journalistischen Angebots sicherstellen. Insgesamt haben sich seit Start bislang knapp 20.000 Menschen für unser PUR-Angebot entschieden.

  1. Die Personalisierung von Werbung ist das eine, die Personalisierung von Inhalten und Abo-Modellen das andere. Haben Sie bereits konkrete Pläne oder Erfahrungen mit letzterem gemacht?

Tarragona: In einem kleinen Rahmen arbeiten wir mit der dynamischen Ausspielung von Inhalten, bei der wir Inhalte in Abhängigkeit von der von uns gemessenen Abo-Affinität entweder frei oder verschlossen ausspielen. Generell halte ich das Thema Personalisierung von Inhalten jedoch für überbewertet. Die Mehrzahl der Userinnen und User wünscht sich auch keine für sie speziell zugeschnittene Berichterstattung, die am Ende immer nur mehr vom Gleichen zeigt, sondern schätzen unsere journalistische Kuratierung und die Gelegenheit, immer wieder auch Neues, Unerwartetes zu entdecken. Sinn dagegen macht das Thema Personalisierung natürlich bei allen Arten von Empfehlungen, die die Nutzer bzw. Abonnentinnen aktivieren sollen, z.B. Empfehlungsnewsletter oder Artikel-Recommendations.

  1. Die Zeit hatte Anfang Januar 20 22 mit „Die Patrioten“ einen ersten Podcast exklusiv für Abonnenten gestartet. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen?

Tarragona: Tatsächlich war das ein erster Test, den wir auch vor dem Hintergrund der entsprechenden Paid-Aktivitäten von Apple getestet haben. Allerdings lässt sich aus einem Format alleine noch keine Ableitung treffen. Die Ausgangsvoraussetzungen sind aufgrund der Rolle und Bedeutung der verschiedenen Podcast-Plattformen deutlich schlechter. Dafür erreichen wir mit den Podcasts auf den ganzen Plattformen jeden Tag Hörerinnen und Hörer, die wir zu neuen Usern und vielleicht auch neuen Abonnenten machen können. Dieser Marketingeffekt darf neben der direkten Monetarisierung über Werbung bei der Gleichung nicht außen vor gelassen werden.

  1. Die Zeit Verlagsgruppe war 2021 im Digital-Abonnement um 43 Prozent gewachsen, im Vertriebsgeschäft insgesamt um 15,5 Prozent. Gehen Sie davon aus, dass Sie in diesen Geschäftsfeldern weiter wachsen werden? Und wird Vertrieb dann künftig das bedeutsamste Geschäftsfeld der Zeit Verlagsgruppe sein?

Tarragona: Der Lesermarkt war bei der gedruckten ZEIT schon lange die größte Umsatzsäule und hat sich in den letzten Jahren auch im Digitalen zum wichtigsten Geschäftsmodell entwickelt. Das Schöne daran ist, dass diese Entwicklung nicht durch sinkende Anzeigenerlöse zustande kam, sondern durch das so auch von uns nicht erwartete starke Wachstum der digitalen Vertriebserlöse, insbesondere in den letzten beiden Jahren. Wir gehen aktuell davon aus, dass diese Entwicklung noch weiter gehen wird, auch wenn sich das zuletzt fast schon exponentielle Wachstum mit Sicherheit verlangsamen wird.