Interview: Aktuelle Lehren für den Vertrieb aus der Preispsychologie
Lisa Jäger, Director bei Simon-Kucher & Partners im Interview
Ihr Workshop auf dem Distribution Summit heißt „Warum 9,90 € nicht gleich 9,90 € sind – Aktuelle Lehren für den Vertrieb aus der Preispsychologie“.
Was meinen Sie genau damit? Was bedeutet das?
Eine wichtige Erkenntnisse aus der Preispsychologie ist, dass wir Produkte und deren Preise immer in einem Kontext betrachten – wir also einen Preis von 9,90 € nie komplett allein wahrnehmen, sondern uns häufig auch unterbewusst fragen „Ist das jetzt im Vergleich zu Produkt X günstig oder nicht?“. Und das gilt sowohl bei Kaufentscheidungen für Konsumenten als auch im B2B-Kontext. Häufig sehen wir aber, dass diese Erkenntnisse bei Preisentscheidungen in Unternehmen kaum eine Rolle spielen. Wenn man diese Dinge bei der Gestaltung und der Kommunikation der Angebote aber berücksichtigt, kann es sehr wohl gelingen, dass eher Produkt X als Produkt Y gekauft wird. Und das können Medienhäuser sich zu Nutzen machen.
Was für Auswirkungen können zu hohe oder zu niedrige Preise haben? Was bedeutet das für die Unternehmen?
Die Kunst des Pricings liegt darin, die Zahlungsbereitschaften der Käufer optimal abzuschöpfen. Und genau das ist etwas, was häufig auch schief geht. Wenn beispielsweise ein Preis zu hoch gesetzt wird, also ein Produkt zu teuer wird, entscheiden sich einige potentielle Käufer dagegen. Und dann kann in der Regel das Umsatzplus von den Leuten, die das Produkt zum höheren Preis kaufen, häufig den Mengenrückgang nicht kompensieren. Sprich: das Unternehmen macht trotz Preissteigerung am Schluss weniger Umsatz. Andersherum ist es natürlich auch möglich, dass ein Unternehmen nicht den Preis verlangt, den die Käufer zu zahlen bereit wären. Und das bedeutet in der Konsequenz, dass das Unternehmen Geld auf dem Tisch liegen lässt.
Sie haben in Ihrer Position Einblick in viele Unternehmen. Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehler beim Pricing bestehender Produkte?
Ein Punkt, den wir häufig beobachten, ist die Furcht vor Preiserhöhungen. Denn man muss sich nur einmal vor Augen halten, was es bedeutet, wenn man eine jährliche Preiserhöhung von z.B. 2% in einem Jahr mal auslässt. Lässt man die einmal aus, müssen die Preise im nächsten Jahr um 4% erhöht werden, um die Nullrunde im Vorjahr zu kompensieren. Und eine 4%-ige Preiserhöhung ist eben noch viel abschreckender als die 2% jährlich, weshalb es genügend Beispiele gibt, wo Preiserhöhungen über Jahre nicht getätigt werden und das voll zu Lasten des Profits der Unternehmen geht. Außerdem sehen wir häufig, dass Preise historisch gewachsen sind. Irgendwer hat sich dazu mal Gedanken gemacht und dann wurden über die Zeit hinweg die Preise irgendwie angepasst. Und nach ein paar Jahren weiß keiner mehr, wie die heutigen Preise eigentlich zustande kommen und vor allem, ob die Preise und die Preisunterschiede eigentlich auch die Wertigkeit der Produkte aus der Perspektive der Käufer reflektieren. Da gibt es aber noch eine ganze Batterie an weiteren Punkten, die man leider falsch machen kann.
Was dürfen die Teilnehmer von Ihrem Workshop erwarten? Was nehmen sie daraus mit?
Ich werde in meinem Vortrag einen Einblick darüber geben, was einerseits die theoretische Forschung im Bereich der Behavioral Economics zu bieten hat. Aber darüber hinaus werde ich auch immer wieder die Brücke zur Verlagswelt schlagen und aufzeigen, wie man diese Erkenntnisse aus der Theorie in den täglichen Pricing-Alltag in Medienhäusern übertragen kann. Dabei gibt es viele sehr einprägsame Beispiele, dass Kunden sich eben nicht wie der Homo oeconomicus verhalten und man das als Unternehmen auch entsprechend berücksichtigen sollte.
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