Interview | Digitale Transformation: „Einen wildgewordenen Oldtimer während der Fahrt restaurieren“

Wie machen wir unseren Fachverlag fit für die Zukunft? Diese Frage stand beim Richard Pflaum Verlag 2013 im Raum. Nach mehreren Jahren Transformationsprozess hat sich der Verlag neu aufgestellt. Im PRINT&more-Interview berichten Agnes Hey (Geschäftsführerin) und Nils-Peter Hey (Leiter Strategie / Prokurist) wie Sie den Prozess in Ihrem Haus gestaltet haben.

Agnes Hey (Geschäftsführerin) und Nils-Peter Hey (Leiter Strategie / Prokurist)

Sie sind 2013 als fünfte Generation in den Verlag eingestiegen. Mögen Sie mal beschreiben, wie das damalige Portfolio aussah?

Agnes Großvater Erwin Bohinger hat den Verlag bis zum Alter von 94 Jahren aus dem Hintergrund beeinflusst. Von Investitionen in ein neues Zeitalter keine Spur. Wir haben also in allen Bereichen – und ich meine alle – komplett von vorne angefangen. Am Anfang stand die Frage, ob sich das lohnt. Es war wirklich “Liquidieren oder All-in”. Wir haben uns für letzteres entscheiden, weil unsere Marken und unsere Berufsgruppen gepaart mit seiner Zeit 95 Jahren Historie es wert waren. Gewuppt werden musste die Aufgabe, wie man zwei verlorene Jahrzehnte Digitalisierung aufholt. Bis auf ein paar klägliche Websites war einfach gar nichts in die Wege geleitet.

Wenn wir neun Jahre später auf dieses schauen. Was hat sich hier alles verändert? Wie sieht Ihr heutiges (digitales) Geschäftsmodell aus?

Es ist eine Mischung aus Bewährtem und Neuem. Wir haben unsere klassischen Fachzeitschriften Schritt für Schritt verfügbarer gemacht. Wir haben begonnen Communities aufzubauen und neue Felder erschlossen. Das war in vielen Bereich leider gar nicht so innovativ, es war in der ersten Runde eine riesige Aufholinvestition, um überhaupt auf den Stand der Dinge zu kommen. Geholfen hat uns dabei, dass der Opa gut gewirtschaftet hatte. Unsere Reise der letzten Jahre kam uns scherzhaft vor wie die finale Szene aus dem berühmten “Herbie”-Film: Einen wildgewordenen Oldtimer während der Fahrt restaurieren. Das bestehende Geschäft war ja erfolgreich und musste im laufenden Betrieb reformiert und transformiert werden.

Bei Ihnen hat sich ja nicht nur das Portfolio verändert, sondern vielmehr auch die Prozesse. Welche Rolle spielt bei Ihnen ein digitaler Workflow?

Es gab da keine Denkverbote. Wir mussten dringend raus aus ausuferndem Outsourcing in Produktion und Redaktion. In vielen Bereichen hatte der Verlag komplett den Kontakt zu den Gewerken verloren, die ihn eigentlich ausmachen. Kern aller Anstrengungen war der Aufbau einer cloudbasierten Prozesslösung, die alle Schritte der Medienentstehung abbildet. Das ist heute im Kern abschlossen und ich würde mich vorsichtig trauen zu sagen, dass wir heute auf Großverlagsniveau produzieren.

Die Mitarbeiter spielen bei einem derartigen Prozess eine bedeutende Rolle. Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter mitgenommen und überzeugen können?

Das war mental der schwierigste Teil. Unser Personalstamm war zu Beginn unserer Tätigkeit durch die Bank älter als wir selber. Ich habe sehr großen Respekt vor der Leistung dieser Menschen, die teilweise länger in Diensten des Verlages waren, als wir auf der Welt. Wir haben es damals zunächst mit dem sanften Weg über Coaching und Transformation Management versucht. Leider muss man sagen, dass vieles dann doch an irreparabler Beharrlichkeit gescheitert ist oder dadurch verzögert wurde. Effektiv haben wir aber keine Handvoll Kündigungen ausgesprochen. Vieles klärte sich über den natürlichen Weg der Verrentung und den Einsatz von Leuten, die die digitale Denkweise nicht erst lernen mussten.

Ein Transformationsprozess läuft selten reibungslos. Was waren Ihre größten Stolpersteine?

Der teuerste Einschnitt war die Umstellung des Media Sales. Der war nahezu vollständig in Handelsvertreterhand. Wir hatten keine Chance diesen zu reformieren, geschweige denn selbstständige Unternehmer zu mehr zu bewegen als reinen Anzeigenverkauf im Stil des letzten Jahrhunderts. Da half nur die Auflösung der gesamten Struktur und der Neuaufbau mit eigenen Leuten. Aber auch die Softwareprojekte waren nicht ohne Schmerzen. Ich kann aber jeden verstehen, der vor diesen gravierenden Schritten eine Heidenangst hat. Am Ende des Tages lässt sich aber alles in den Griff kriegen. Eines ist jedenfalls sicher: Mit Transformation ist man niemals am Ende. Die Veränderung ist für uns Normalität geworden und agil wird man nur, wenn man das im tiefsten Inneren auch zulässt.

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